Mittwoch, 25. März 2020

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ (Joh 12,24)– das ist der Wochenspruch für diese Woche.

Herzliche Grüße, Ihre Pfarrerin Heike-Andrea Brunner-Wild

Als eine von vielen Empfehlungen gilt seit Tagen: 1,5 bis zwei Meter Abstand halten zu den anderen. Beim Anstehen an der Fleischtheke, an der Kasse, beim Bäcker – überall die bunten Klebestreifen auf dem Boden, die mich daran erinnern: Achte auf deine Gesundheit und die Gesundheit der anderen. Seid vorsichtig! Wir dürfen uns jetzt nicht zu nahe kommen!

 

Ich erinnere mich an eine Parabel des Philosophen Arthur Schopenhauer (1788 – 1860):

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An einem kalten Wintertag drängte sich eine Gruppe von Stachelschweine zusammen, um durch die gegenseitige Wärme, sich vor dem Erfrieren zu schützen. Als sie jedoch zusammenrückten, spürten sie die gegenseitigen Stacheln; welche sie dann wieder voneinander entfernten. Da das Auseinanderrücken aber wieder mit Frieren verbunden war, wiederholte sich jenes Zusammenrücken; so dass sie zwischen beiden Leiden hin und her geworfen wurden, bis sie eine erträgliche Entfernung herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten.

Was Schopenhauer damals in seiner Erzählung trieb, war eine gehörige Portion an Gesellschaftskritik: Kritik an einer Gesellschaft, die auf der einen Seite aus Langweile nach Nähe suchten, doch dann von den nervigen Eigenschaften der anderen wieder abgeschreckt wurde. Das Ganze mündet in den Rat, ein ausgewogenes Mittelmaß zwischen Nähe und Distanz zu suchen, das er als Höflichkeit und „feine Sitte“ bezeichnete.

Heute höre ich die Geschichte anders: Wir sehnen uns nach einem guten Miteinander, nach Wärme und Geborgenheit.  Und zugleich spüren wir, dass zu viel Nähe mit Nachbarn und Freunden in diesen Tagen eine Gefahr ist. Und so ist es ein Suchprozess, die richtige Mitte zwischen Nähe und Distanz zu finden, eine gute Form des Miteinanders zwischen Skype, Mails, WhatsApp, Telefon und Winken aus der Ferne. Viele Menschen werden in diesen Tagen unglaublich kreativ und wollen helfen. Mehr

mals am Tag läuten die Glocken und laden ein zum stillen Gebet. Jeden Abend um 19.00 Uhr versammeln wir uns an unseren Fenstern oder im Garten singend und musizierend: „Der Mond ist aufgegangen“. Machen Sie mit! Ich wünsche uns in diesen Tagen, dass das Miteinander zwischen Nähe und Distanz so lebbar ist,  dass die Nähe nicht infizierend und Distanz nicht frierend macht.

„Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und Besonnenheit! (2. Tim 1,7)

Wir beten:

Gott,
Allein und in dir verbunden singen wir.
Wir singen und loben dich.
Wir singen und beten mit unseren Freundinnen und Freunden.
Wir singen und hoffen für alle, um die wir Angst haben.
Dir vertrauen wir uns an,
heute, morgen und jeden neuen Tag.