Donnerstag, 07. Mai 2020

„Ich danke Gott, und freue mich wie’s Kind zur Weihnachtsgabe,
dass ich bin, bin! Und dass ich dich, schön menschlich Antlitz habe.

Dass ich die Sonne, Berg und Meer, und Laub und Gras kann sehen,
und abends unterm Sternenheer und lieben Monde gehen.

Und dass mir dann zumute ist, als wenn wir Kinder kamen
und sahen, was der heil’ge Christ bescheret hatte, Amen!

Gott gebe mir nur jeden Tag, soviel ich darf zum Leben.
Er gibt’s dem Sperling auf dem Dach; wie sollt er’s mir nicht geben!“

Dieser wunderschöne Text von Matthias Claudius, vertont unter anderem von Andreas Ebert ist eines der Lieder, die es aus dem sog. „Silberpfeil“, einer 1982 erschienenen Liedsammlung als Ergänzung zum damaligen Gesangbuch, leider nicht in das „neue“ Gesangbuch geschafft haben. Schade! Matthias Claudius hat es um das Jahr 1777 geschrieben, und es ist wie ein Geschenk, das man das ganze Jahr über gut gebrauchen kann. „Ich danke Gott, und freue mich wie 's Kind zur Weihnachtsgabe, dass ich bin! Und dass ich dich, schön menschlich Antlitz habe.“
Eine so ungebrochene Lebens- und Daseinsfreude mag auf uns heute kindlich wirken. Aber ungebrochen war sie schon damals nicht. Denn das Leben von Claudius war schon früh bestimmt von zahlreichen Todesfällen und Schicksalsschlägen in seiner Familie. 
Gerade darum aber weiß er den Pulsschlag des Lebens zu schätzen. Der Dank dafür, am Leben zu sein, ist in jeder Zeile zu spüren. Die Freude darüber, mit allen Sinnen aufnehmen und erspüren zu dürfen, was um ihn herum alles lebendig ist. Und hinter allem Dunkel dennoch die gute Schöpfung Gottes zu erkennen.

Ich empfinde es als großes Geschenk, mit und in diesem Vertrauen leben zu können. Manchmal fällt es mir schwer. Nicht ohne Absicht überschreibt Claudius sein Gedicht mit „Täglich zu singen“. Weil es vielleicht nur so gelingen kann, dieses Vertrauen einzuüben. Und es einfließen kann in meine Lebensmelodie!

Bleiben Sie hoffnungsvoll und behütet!

Ihre Pfarrerin Heike-Andrea Brunner-Wild